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Wie digitale Technologien in Krisenzeiten helfen können

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In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen mit der digitalen Kommunikation in Krisenzeiten mit euch teilen und euch auf ein paar spannende Technologieprojekte aufmerksam machen, die in der aktuellen Krise den Menschen helfen. Außerdem habe ich eine Liste von Open Source Lösungen erstellt, die als Inspiration für neue online Angebote dienen soll.

Seit ein paar Wochen sitze ich nun im Home Office und das wird wahrscheinlich noch eine Weile so bleiben. Doch schlimm fühlt sich das Ganze gar nicht an.

Das liegt zum einen daran, dass ich zu dem privilegierten Kreis von Personen gehöre, die rein digital arbeiten können, zum anderen dass ich für eine Cloud-First Firma arbeite. Bei uns arbeitet ein Großteil der Belegschaft sowieso komplett remote. Die Teams sind über den ganzen Globus verteilt und treffen sich jetzt neben den üblichen Teammeetings auch per Web Konferenz zu virtuellen Kaffeepausen.

Alle Daten und Kommunikationsmittel kommen aus der Cloud und jeder Mitarbeiter ist mit einem Laptop ausgestattet. Deshalb muss man sich nicht über ein langsame VPN Verbindung mit einem internen Server verbinden, sondern kann ganz entspannt alles im Browser erledigen.

Ein neues Gefühl der Kommunikation

Das Erstaunliche an der aktuellen Lage ist: Dadurch dass man nun gar nicht mehr in ein Büro fährt, steigt scheinbar auch die Lust sich virtuell mit anderen Menschen auszutauschen. So kommen auf einmal Leute zusammen, die bisher nie etwas miteinander zu tun hatten.

Da sich die Eltern unter den Kollegen nun die Kinderbetreuung zuhause aufteilen müssen, erleben auch die flexiblen Arbeitszeiten einen Aufschwung. Für mich persönlich bietet es sich z.B. durch die Zeitverschiebung an, tagsüber Zeit mit meinem Sohn zu verbringen und abends Termine mit den Kollegen in den USA wahrzunehmen.

Auch die Kommunikation mit Kunden und Partnern hat sich weiter ins Netz verlagert. Da man sich aktuell nicht physisch treffen kann, werden Webinare gehalten. Selbst ganze Events werden online abgehalten. So planen wir bspw. unser Drupal User Group Munich Meetup im Mai als virtuelles Zoom Meeting.

Aber auch im Privatleben lassen sich diese Kommunikationsmittel nun wunderbar einsetzen. So hatten wir diese Woche schon zwei Mal ein virtuelles Gläschen Wein mit Freunden per Videokonferenz zuhause auf der Couch.

Ein Wandel in der Gesellschaft

Damit das alles funktioniert, braucht man in erster Linie eines: Vertrauen. Das Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter ist in diesen Zeiten essenziell! Ein Umdenken von der Anwesenheitszeit im Büro hin zur Zielorientierung ist nötig. Denn letztendlich ist eigentlich nur relevant was am Ende dabei herauskommt.

Andererseits benötigt man als Angestellter natürlich auch die nötige Disziplin um morgens aufzustehen und sich weitgehend selbst zu organisieren. Die Zeit die man durch den fehlenden Arbeitsweg gewonnen hat, kann man gut nutzen um eigene Initiativen voranzutreiben. Der Arbeitgeber sollte hier als Motivator und Coach fungieren und nicht als Kontrolleur.

Doch nicht nur die Arbeit wurde weitgehend ins Netz verlegt. Auch viele andere alltägliche Aktivitäten wie Einkäufe, Lernen, Konzerte, oder Behördengänge werden nun verstärkt online abgehalten. Für Unternehmen und Organisationen kann das eine Herausforderung aber auch eine Chance darstellen, Services zu verbessern und das Angebot zu erweitern.

In Estland kann man schon seit Jahren sämtliche Behördengänge online tätigen und selbst die Wahlen finden online statt. Nicht nur beim Netzausbau sondern auch beim digitalen Staat ist Deutschland noch weit hinterher. Doch auch für viele private Organisationen bietet sich nun die Chance Geschäftsprozess ins Netz zu verlagern und Self-Service Portale für Kunden zu gestalten. Denn selbst wenn Mitarbeiter in Quarantäne sind, stehen die Informationen stets automatisiert zur Verfügung und der Chatbot beantwortet weiter brav die Anfragen.

Innovative Projekte mit digitalen Technologien

Es gibt eine Reihe von wirklich tollen Initiativen wo Organisationen Technologien kreativ einsetzen um zu informieren oder ihre Plattform und Infrastruktur zur Verfügung stellen um zu helfen.

Chatbots auf WhatsApp informieren über die Pandemie

So setzen bspw. die WHO und die indische Regierung WhatsApp Chatbots für die Aufklärung der Bevölkerung ein.

Kostenlose Plattform und Infrastruktur

Der Softwarehersteller Acquia stellt aktuell Organisationen die COVID-19 Hilfsmaßnahmen anbieten seine Infrastruktur kostenlos zur Verfügung. Für Organisationen wie Regierungsbehörden, Bildungs-, Gesundheits- und Non-Profit-Organisationen, die während der Krise Informationen in Echtzeit übermitteln oder der Öffentlichkeit und den Mitarbeitern Hilfe leisten, bietet Acquia umfassenden Service, Unterstützung und Plattformfähigkeiten.

Kostenlose Lernplattformen

Die Mooc Lernplattform Coursera bietet aktuell Schulen und Universitäten einen freien Zugang zu Ihrer Plattform um Kurse online abzuhalten. Courseras Mission ist es die Auswirkungen des Coronavirus (COVID-19) auf die Studenten zu minimieren. Daher startet die Coursera-Gemeinschaft eine weltweite Initiative, um Universitäten und Hochschulen bei der Online-Bereitstellung von Kursmaterial zu unterstützen.

Die Khan Academy bietet dieses Modell bereits seit vielen Jahren an und wird nur durch Spenden finanziert.

Zu guter Letzt möchte ich noch die Virtuelle Hochschule Bayern erwähnen, bei der ich bereits vor vielen Jahren meine ersten Skills in Web Design und Entwicklung erworben habe.

Wie Open Source in der Krise helfen kann

Open Source Software ist nicht nur ein Technologieparadigma, sondern auch ein Mindset. Open Source Projekte leben von ihrer Offenheit und ihrer Community. Dieser inklusive, kollaborative Ansatz des Strebens nach gemeinsamen Zielen macht Open Source Software krisenfest.

Wie der Gründer des Drupal Projekts Dries Buytard in diesem Blog Post schreibt, sind Open Source Projekte im Gegensatz zu proprietärer Software krisensicher, da sie von einer weltweiten Gemeinschaft gestützt werden. Softwarehersteller können pleite gehen, echte Open Source Projekte nicht.

Warum kann also Open Source Software in Krisenzeiten helfen? Nun, zum einen ist die Software meist kostenlos oder jedenfalls wesentlich günstiger als proprietäre Software. Somit ergeben sich in der Regel enorme Kostenersparnisse bei den Lizenzen, aber auch bei der Implementierung, da oft auf viele Entwicklungen aus der Community zurückgegriffen, bzw. darauf aufgebaut werden kann.

Nachfolgend habe ich eine kleine Liste von Open Source Tools und Herstellern erstellt, die Organisationen weltweit helfen ihre digitalen Herausforderungen zu lösen.

CMS Lösungen

Im Bereich Web Content Management Systeme gibt es einige sehr populäre Tools, die sehr weit verbreitet sind und den größten Teil der Websites dort draußen betreiben.

Eine Einsteigerlösung für Blogs, Freelancer und kleine Projekte ist WordPress. WordPress ist sehr einfach zu erlernen und erfreut sich daher sehr großer Beliebtheit. Jedoch stößt man bei WordPress schnell an Grenzen wenn es um Sicherheit, Performance oder komplexere Anforderungen geht.

Joomla ist ein etwas mächtigeres und flexibleres System, mit dem sich Projekte mittlerer Größe und Komplexität gut umsetzen lassen. Die Community von Joomla ist im Vergleich zu anderen Systemen etwas kleiner.

Wenn wir von Projekten mit sehr komplexen Anforderungen und hohen Performanceansprüchen reden, kommen TYPO3 und Drupal ins Spiel. Diese beiden Player spielen eher in der Enterpriseliga. Während sich TYPO3 vor allem im deutschsprachigen Raum großer Beliebtheit erfreut, verfügt Drupal international über eine größere Community und kann mit wesentlich mehr Modulen und Schnittstellen aufwarten.

Um die Auswahl an den unzähligen Erweiterungsmöglichkeiten von Drupal zu erleichtern und Projekte schneller starten zu können, gibt es beim Drupal Projekt sogenannte Distributionen. Eine Drupal Distribution bündelt den Drupal Kern mit einer Reihe von vorinstallierten Modulen und Konfigurationen für spezielle Anwendungsfälle.

In Acquias Distribution Drupal Lightning sind beispielsweise bereits sämtliche Funktionen enthalten, die man typischerweise im Unternehmenseinsatz benötigt.

Mit der Distribution Thunder hat Hubert Burda Media das Drupal CMS an die speziellen Anforderungen von Verlegern angepasst.

Die Distribution degov richtet sich an öffentliche Einrichtungen, die typische Prozesse der Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen damit abbilden können.

Da jedes CMS auf einem Server gehostet werden muss, stellt sich die Frage: Welchen Hosting Provider wähle ich am besten? Für kleine Projekte gibt es zahlreiche Anbieter wie bspw. Strato auf dem Markt, die maßgeschneiderte Lösungen zu einem günstigen Preis anbieten.

Wenn es um den Betrieb von geschäftskritischen Enterpriselösungen geht, sind die Ansprüche naturgemäß wesentlich höher. Hier bedarf es einem Service Level Agreement – sprich einer Garantie dass die Applikation verfügbar ist – sowie einem 24/7 Support. Außerdem haben in der Regel Sicherheit, Datenschutz und Performance höchste Priorität. Einer der wenigen Anbieter, der das SLA über die Hostingplattform hinaus bis in die Drupal Applikation anbietet, ist Acquia.

LMS Lösungen

Im Bereich Learning Management Systeme dominiert ganz klar der Platzhirschen Moodle auf dessen Software viele Universitäten ihre Onlinekurse abhalten. Zudem gibt es eine kommerzielle Moodle Erweiterung namens TotaraLMS die auf den Einsatz im Unternehmen abziehlt.

Aber auch in der Welt der Drupal Distributionen gibt es ein System namens Opigno das auf Lernplattformen spezialisiert ist. Der Vorteil beim Einsatz von Drupal ist, dass man nicht so sehr auf das reine eLearning Szenario beschränkt ist, sondern ein mächtiges Framework an der Hand hat, mit welchem sich die unterschiedlichsten Use Cases umsetzen lassen.

eCommerce Lösungen

Im Onlinehandel ist die Einsteigerlösung WooCommerce, eine eCommerce Erweiterung, die aus einer WordPress Website einen Online Shop macht. Auch hier gilt, dass sich dieses Tool eher für kleine, einfache Projekte eignet. Man erzielt damit aber sicherlich sehr schnell und einfach Ergebnisse.

Auch für das Drupal CMS gibt es eine eCommerce Erweiterung namens Drupal Commerce. Drupal Commerce verfolgt im Gegengensatz zu dem Out of the Box Ansatz (fertige Lösung) von WordPress eher einen Frameworkgedanken mit dem man sich seine individuellen Lösungen bauen kann.

Wenn es um mittelgroße Projekte mit mittlerem Budget und mittlerer Komplexität geht, kommen Systeme wie Shopware, Oxid oder Prestashop ins Spiel. Alle drei Anbieter stellen eine kostenlose Community Edition zur Verfügung, bieten aber auch eine kommerzielle/SaaS Variante an.

In der Enterprise Liga der Open Source eCommerce Lösungen gibt es eigentlich nur Magento. Mit Magento lassen sich wirklich große Projekte mit komplexen Anforderungen realisieren.

Einen etwas anderen Ansatz hat die Firma Acquia mit ihrem Acquia Commerce Framework gewählt. Dieses Framework dient als Schnittstelle zwischen dem Drupal CMS und eCommerce Systemen. Traditionelle eCommerce Systeme sind gut darin Produkte und Produktkataloge darzustellen, haben aber in der Regel nur rudimentäre Fähigkeiten um schöne digitale Erlebnisse zu realisieren. Daher bietet es sich an, diese beiden Welten miteinander zu verheiraten.

Marketing Automation

Open Source Lösungen für Marketing Automation gibt es nur wenige am Markt. Die meisten davon sind auf Teilbereiche wie E-Mail Marketing beschränkt. Die einzige vollumfängliche Lösung für automatisierte Multi-Channel Kampagnen ist Mautic. Mit Mautic lassen sich komplexe Kampagnenlogiken und Flows komfortabl über einen intuitiven Kampagnenbuilder zusammenbauen. Auch bei Mautic gibt es eine kostenlose Community Edition und eine kommerzielle SaaS Lösung zum mieten.

Chatbots

Da sich Chatbots wachsender Beliebtheit erfreuen, sollen sie hier nicht unerwähnt bleiben. Das meiner Meinung nach ausgereifteste Chatbot Framework am Markt ist derzeit Rasa. Rasa wurde auf Basis der erfolgreichsten Biobliotheken für Maschinelles Lernen wie TensorFlow gebaut und kann somit lernen. Das Framework kann mit beliebigen Kanälen wie Website Chat oder Messengern verbunden werden. Auch Rasa bietet neben der kostenlosen Community Edition eine kommerzielle Variante zur Mietet aus der Cloud an.

Ein Blick in die Glaskugel

Nach der Corona-Pandemie wird es wahrscheinlich eine neue Normalität geben. Die Nutzung von online Angeboten hat sich tiefer im Zentrum der Gesellschaft etabliert und zwar in breiterer Form als bisher. Digitale Kanäle werden vermutlich nicht mehr nur als nettes Beiwerk oder reine Marketingmaßnahmen gesehen, sondern sind geschäftskritisch und systemrelevant geworden. Die Entwicklung bewegt sich rasend schnell hin zu online first und online only. Nach der Krise haben sich vermutlich einige Dinge als selbstverständlich etabliert, die es vorher nicht waren. Ich bin gespannt, wie sich die Servicelandschaft in Deutschland verändern wird. Aber ich bin mir sicher, dass wir bald wesentlich mehr Dinge online erledigen können als bisher. Und ein Großteil dieser Dinge wird auf Open Source Technologien basieren.